Notaufnahme (1 Update)

Geschrieben am 4. Juli 2012 von

Update: Also die im Hospital gestellte Diagnose (auf eng. Peripheral facial paralysis) deckt sich mit dem was die deutsche Ärztin und die Ärzte auch gesagt haben. Die Gesichtsnervlähmung wurde vermutlich durch eine Infektion hervorgerufen. Das Kortison muss ich nun 2 Wochen nehmen, die Lämung kann aber bis zu zwei Monaten bleiben. Was für mich etwas undeutlich bleibt, sind die starken Schmerzen im Hinterkopf, aber das bekomme ich auch noch raus. Aber wenigstens haben sie nun nachgelassen.

 

Das war die längste Woche die wir je auf See erlebt haben. Das Wetter hat Robert mal wieder so genutzt, dass wir ohne Sturm gut durchgekommen sind. Aber es war so laaangweilig und die meiste Zeit verbrachten wir liegend, schlafend, lesend und Hörspiel hörend. Klingt in stressgeplagten Ohren toll, für mich auf See ein Graus. Und dann ging es los. Irgendwann letzten Freitag bekam ich Kopfschmerzen, was erst einmal nicht so ungewöhnlich für mich auf See ist. Aber sie wurden immer stärker und waren am Hinterkopf. Sie wurden so stark, dass es mich verrückt gemacht hat. Nichts half. Keine Medikamente, keine Übungen, keine Globulis und keine Gedankenkraft. Dann im laufe des Sonntags merkte ich am Abend, dass ich beim Zähneputzen meinen Mund nicht mehr richtig ausspülen konnte. Es hat etwas gedauert, bis ich realisiert habe was los ist. Schon am Nachmittag, lief mir beim Trinken Wasser aus dem Mund, tja pech wer halb liegend mit Seegang trinkt. Im Cockpit mit Seegang Zähneputzen, da landet schon mal alles irgendwo nur nicht da wo es hin soll. Da ist man resistent geworden. Hinzu kommt, dass ich nur einen winzigen Handspiegel unterwegs griffbereit habe. Das alles führte dazu, dass ich sehr spät merkte das meine linke Gesichtshälfte gelähmt ist. Und noch länger dauerte es bis Robert es realisiert hatte. Der Gedanke vielleicht mal einen Arzt anzurufen kam erst sehr spät. Ich war in so einem lethargischen Zusrand „tja starke Schmerzen, tja Gesicht gelähmt, tja was willste machen“. Am Montag Abend war Robert dann soweit, dass er einen Anruf startete. Wie es sein sollte, war die entsprechende Ärztin gerade im Dienst und hielt direkt Rücksprache mit dem Neurologen. Wir hatten dadurch ein bischen besseres Gefühl die Zeit bis zum Land noch durchzuhalten. Der Hinweis allerdings, dass man genaueres erst nach der Rückenmarkspunktion feststellen kann ließ mich heulen. Ich gehe lieber freiwillig zehnmal zum Zahnarzt als diese Punktion über mich ergehen zu lassen. Ich hatte früher mal eine Hirnhautentzündung und seit den drei dort durchgeführten Eingriffen ein Trauma. Am nächsten Tag klarte Robert das Boot noch unterwegs auf (Normalerweise guckt er mich schon schräg an wenn ich direkt nach der Ankunft damit beginne) ich packte Dinge fürs Krankenhaus und Robert rief die Versicherung an um unser weiteres Vorgehen abzuklären. So organisiert waren wir seit Monaten nicht mehr.. Direkt nach dem Anlegen in Muxia gingen wir von Bord. Trafen noch ein bekanntes Gesicht aus Portimao und hatten so direkt jemanden der ein Auge auf die Timpetee wirft.

 

Wir entschieden uns für La Coruna, nachdem wir mit einzelnen Wortfetzen versucht hatten heraus zu finden wo es eine Neurologie gibt. In der Klinik angekommen waren wir maßlos überfordert. Tausend Leute, tausend Schwestern und Ärzte es schien nach einem heillosen Durcheinander und doch schienen alle zu wissen was sie und die anderen taten. Ein System war für uns nicht zu erkennen. Wir wurden mehrmals irgendwo hingebracht, nein eher geschoben. Englisch, nein das wollte hier keiner sprechen können. Dann wurden Daten aufgenommen, na immer hin. Einer Fabrik gleich wurde ich nun mit einem Bändchen markiert, Robert bekam die entsprechende Karte dazu, es wurden Aufkleber auf alle möglichen Dokumente geklebt und ich bekam eine Akte in die Hand gedrückt. Ok, nun war ich immer hin schon mal eine Nummer. Wieder ein schnelles Hin-und-hergeschiebe und hektische Anweisungen, ich verstand kein Wort. Aber ich sollte mich wohl in die Schlange stellen. Dann endlich sprach mich jemand auf Englisch an und ich konnte wenigsten kurz erklären warum ich da war. Dann nächster Flur. Hier war nur noch der Nebenbetrieb des Bienenstockes und meine Akte wanderte in einen Raum. Na dann werde ich da wohl auch bald rein dürfen.

(Ich möchte an dieser Stelle meinen Respekt all den Leuten aussprechen, die mehr oder weniger unfreiwillig aus ihrer Heimat gegangen sind und sich in einem fremden Land und fremder Sprache rumschlagen müssen. Meine vollste Hochachtung und mein Verständnis für die Ängste, Sorgen und Probleme die sich dadurch ergeben).

Drinnen angekommen, wohl gemerkt mit vielen anderen Patienten, saß ich Tränen überströmt mit meinem Wörterbuch auf einer Liege. Es dauerte wieder bis jemand englisch sprach. Man nahm mir Blut ab und gab mir durch einen Tropf Paracetamol. Im Laufe der Untersuchung fragte jemand ob ich mal die Zähne zeigen könnte. Mit gefletschten Zähnen stand sie vor mir. Als ich es machte gab es von allen nur ein wissendes Kopfnicken. (Als ich es viel später im Hotel vor dem Spiegel erneut probierte wusste ich auch warum, lediglich ein paar Zähnchen kann ich zeigen, oh Gott was für ein jämmerliches Bild). Aber zurück ins Hospital nach der Betandsaufnahme hieß es warten und noch mal warten. Die Blutproben wurden direkt ins Labor geschickt und man sagte mir, dass sie mir dementsprechend Medikamente geben und ich dann wieder gehen kann. Wir waren unsicher und riefen erneut unsere ärztliche Beratung in Deutschland an, es wurde noch ein Neurologe der gerade zufällig auf dem Flur stand zu Rate gezogen (welch groteskes Bild im Gegensatz zu dem Chaos Bild der spanischen Klinik). Endlich bekam ich ein Ergebnis und Rezepte ausgehändigt. Man konnte nur sagen, dass sie keine Entzündung festgestellt haben, was ja schon mal gut ist und dass sie vermuten, das ein Nerv der Gesichtsmuskeln, ja was, da kam wieder die Sprachbarriere ins Spiel, sagen wir „angeschlagen“ ist. Man schrieb mir Cortison auf, welches unsere Telefonberatung auch empfohlen hatte, Schmerzmittel und künstliche Tränenflüssigkeit, da ich mein Auge nicht richtig schließen kann.

Da es mittlerweile auf Mitternacht zuging beschlossen wir uns ein Hotel zu nehmen und fielen totmüde in die Betten.

Komisch, seit langen habe ich mir gewünscht (und es weder zu Weihnachten noch zum Geburtstag bekommen) mal im Hotel zu übernachten. Ja da muss ich erst krank werden damit es passiert. Das ist wohl auch der Anknüpfungspunkt an dem ich nun hinter diese Krankheit schauen muss und gucken muss wie es weiter geht. Fakt ist ich muss mich ausruhen und darf nicht belastet werden. Aber Planung kommt später erst einmal dreh ich mich hier im Bett noch mal um und schlaf noch eine Runde.

 

Bis bald rund  ein furchtbar schräges, aber ganz gemeintes Lächeln. Und noch einmal ein Dankeschön an Katharina und ihr Hamburger Ärzteteam.

7 Kommentare zu Notaufnahme (1 Update)